Offener Realisierungswettbewerb mit Ideenteil
Neugestaltung des Innenraums und des baulichen Umfeldes
Die Grundkonzeption des Gebäudes geht auf Friedrich den Großen und seinen Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff zurück. Die St. Hedwigs Kathedrale ist in der Zeit des Spätrokoko im Übergang zum Frühklassizismus entstanden. Architektonische Motive der griechischen Klassik und sinnliche Heiterkeit bestimmen das Bauprogramm Friedrich des Großen. Wiederaufgebaut entspricht die Kathedrale in der Maßstäblichkeit ihrer äußeren Kubatur weitgehend der historischen Konzeption. Der Wettbewerbsbeitrag zur Umgestaltung des Innenraumes nimmt die Maßstäblichkeit des historischen Vorbildes auf, um Innen- und Außenraum neu zu verbinden. Der historische Maßstab wird neu interpretiert.
Die Kuppel
Die jetzt offen zu Tage tretende Rippenkonstruktion der Kuppel führt zu einer Zweiteilung des großen Raumes. Die Deckengemälde des Rokoko weiten den Raum durch ihre die Körper verkürzenden Schichten. Dieses Prinzip wird durch den Rhythmus der ringförmigen Gliederung der Kuppel in abstrahierter Form aufgenommen. Eine nach oben sich öffnende, rhythmische Gesamtwirkung des Raumes entsteht.
Der Hauptraum
Der Altarbereich wird an seiner ursprünglichen Stelle belassen. Das Verhältnis von Altar und Ambo wird in seiner räumlichen Beziehung neu bestimmt. Durch das Schließen der vertikalen Öffnung wird die optische und örtliche Trennung von Altarbereich und übrigem Kirchenraum aufgehoben. Eine größere Nähe zwischen Zelebrant und Gemeinde wird geschaffen. Die Anordnung der Bankreihen führt zu einer Konzentration auf das liturgische Geschehen. Durch die Schließung der Öffnung entsteht darüber hinaus zusätzlicher Raum für das Stellen der Bankreihen. Im Bereich vor dem Altar ist eine flexible Bestuhlung vorgesehen. Diese ermöglicht genügend Platz für liturgische Besonderheiten (z.B. der Priesterweihe). Ein in Weiß- und Grautönen abgestimmtes Farbkonzept der Putzflächen wird ergänzt durch die goldene Farbigkeit des Geländers im Obergang und die der Glasfenster. Vorgeschlagen wird ein heller Natursteinboden. Altar, Ambo und die Sitze für die Zelebranten werden in Naturstein ausgeführt. Ihre Farbigkeit wird aufeinander abgestimmt. Der Marienaltar erhält einen hervorgehobenen Platz in einer Nische links neben dem Altarbereich.
Die Kapelle
Die jetzige Sakristei wird zur Kapelle für kleine ungestörte Gottesdienste und nimmt das Tabernakel auf. Altar- und Gemeindebereich werden spiegelbildlich zum Hauptraum angeordnet. Der Platz des Tabernakels befindet sich in der Verlängerung der Mittelachse des Kuppelraumes. Eine direkte Beziehung des Tabernakels zum Altarbereich im großen Kirchenraum entsteht. Die kleine Kapelle wird zu einem zurückgezogenen Ort für das stille Gebet. Die Kapelle orientiert sich in ihrer Materialität und Farbigkeit am großen Kuppelraum.
Die Krypta
Mit der Schließung der Öffnung zum Hauptraum wird die Krypta zu einer abgeschlossenen, eigenen Sphäre der Ruhe. Die Krypta wird an den Seiten durch zwei Treppen erschlossen. Der Besucher betritt die Krypta von der einen Seite, kann diese durchschreiten und verlässt sie auf der anderen Seite. Ein- und Ausgang werden zum Bild. Die Krypta ist Grabstätte und Taufort zugleich.
Der liturgischen Bedeutung der Taufe entsprechend ist das Taufbecken Mittelpunkt des runden Raumes. Die Gräber befinden sich an ihrem angestammten Ort. Geprägt wird die Krypta architektonisch durch einen Kranz von Rundstützen und der Ziegelstruktur der Wände. Weitausladende „Kapitelle“ heben die Decke optisch nach oben. Durch die Rücksprünge im Rund der Decke wird diese Wirkung noch unterstützt. Der Ziegel in seiner Tektonischen Schichtung betont die ursprüngliche Ruhe des Ortes.
Die Details – Kapitelle, Glasfenster und Brüstungsgitter
Die Gestalt des Kapitells knüpft an den Rhythmus der Akanthusblätter korinthischer Säulenordnung (ursprüngliche Säulenordnung) an. Die Ringstruktur des Kapitells wiederholt in der Kleinform die Sprache der Kuppel. Insgesamt wird die Großkubatur der bisherigen Innenraumgestaltung feiner gegliedert.
Im Sinne der Gesamtkonzeption wird eine Glasfenstergestaltung vorgeschlagen, die in ihrer Abstraktion an die Formensprache des Rokoko anknüpft und gleichsam einen Kontrapunkt zur klaren Gliederung der tektonischen Grundordnung schafft. Die vorhandene Farbigkeit der Grau- Weiß- und Goldtöne wird um Rottöne in den Fenstern ergänzt. Auch das Grün der jetzigen Innenwandgestaltung taucht in reduzierter Form in den Gasfenstern auf. Eine präzise Darstellung ist der zweiten Wettbewerbsrunde vorbehalten.
Für den oberen Umgang wird eine Neugestaltung der Brüstungsgitter vorgeschlagen. Ihre bewegte Struktur ist eine Synthese historischer Reminiszenz und moderner All-Over-Struktur. Eine präzise Darstellung der plastischen Ausgestaltung ist der zweiten Wettbewerbsphase vorbehalten. Der Rhythmus der Gitter nimmt Bezug auf die Formensprache der Glasfenster. Die goldene Farbigkeit orientiert sich am Farbkonzept Schwipperts. Die Garderoben des Chores und die Orgel verbleiben an ihrem jetzigen Ort.
Das Bernhard-Lichtenberg-Haus ist Teil einer Gebäudegruppe, die unter Ensembleschutz steht. So notwendig der Erweiterungsbau des historischen Gebäudes war, so wenig fügt sich der bisherige Anbau als Fortschreibung des Alten ein. Ein harmonischer Anschluss an das Mansarddach des alten Gebäudeteils ist aufgrund der Dachform schwer möglich. Der bisherige Anbau ragt wuchtig mit seiner Kubatur in den ursprünglich als Freiraum hinter der Kathedrale gedachten Stadtraum hinein. Betritt der von der Kathedrale kommende Besucher diesen Bereich, stößt er auf Garagenausfahrten und eine zum Veranstaltungssaal gehörige Fluchttreppe. Beide Aspekte erzeugen eine, an dieser städtebaulich interessanten Stelle, nicht angemessene Hinterhofatmosphäre.
Das neue Konzept
Vorgesehen sind der Erhalt des historischen Gebäudeteils und die Anfügung eines neu zu errichtenden Gebäudeflügels. Mit dem Erhalt des alten Lichtenberg-Hauses wir die historische Kontinuität des Ortes gewahrt. Der neue Flügel soll eine eigenständige Formensprache entwickeln, sich aber dennoch in die städtebauliche Gesamtfigur des Ensembles einfügen. Der Raum zwischen Kathedrale und Lichtenberghaus muss verbinden. Es bedarf auf dieser Seite des Gebäudes eines neuen Eingangs als einladende Geste für den Besucher. Das Lichtenberghaus ist der Ort des Gemeindelebens, er soll aber auch die Besucher aus aller Welt einladen und mit „offenen Armen“ empfangen.
Der alte Gebäudeflügel
Das bisherige Gesamtgebäude steht nicht unter Denkmalschutz. Es könnte daher naheliegen, beide Gebäudeteile abzureißen, um ein Gesamtgebäude mit einer überzeugenden einheitlichen Gesamtgestalt zu schaffen. Es erscheint aber richtig den historischen Altbau zu erhalten, um die historisch gewachsene Atmosphäre des Ortes nicht zu gefährden. Vorgesehen ist eine umfassende Renovierung des alten Gebäudeteils. Der alte Flügel nimmt die neue Sakristei auf. Ein unterirdischer, großzugig dimensionierter Gang mit Tageslicht (in den Straßenbelag integrierte Oberlichter) verbindet die Sakristei mit der St. Hedwig Kathedrale. Im Rahmen einer Neuaufteilung der Funktionen sind großzügige Raumfolgen im alten Flügel vorgesehen.
Der neue Gebäudeflügel
Da die adaptierende Anpassung des bisherigen Anbaus zu keinem städtebaulich befriedigendem Ergebnis führt, wird ein neuer Gebäudeflügel mit einer eigenständigen Gestalt vorgeschlagen, der das städtebauliche Gesamtensemble um einen eigenständigen Akzent bereichert. Der neue Gebäudeflügel erhält mit dem sich über 6 Stockwerke erstreckenden Turm einen markanten Akzent. Der Turm tritt in einen reizvollen Kontrast zur großen Kuppel, fügt sich aber dennoch dienend in das Gesamtensemble ein. Die Gebäudehöhe ist so gewählt, dass der Turm das linkerhand befindliche Gebäude nur wenig überragt. Das seitliche Zurückspringen der Gebäudeteile bis zur Fluchtlinie des Turmes nimmt den Rücksprung der Obergeschosse des benachbarten Gebäudes auf. Auf der Gebäuderückseite springt der Gebäudekörper ab dem 2ten OG in Stufen zurück. Durch die Rücksprünge weitet sich auf der Rückseite der Kathedrale der Raum.
Der Eingang des neuen Gebäudeflügels
Kathedrale und Lichtenberghaus liegen nahe beieinander und sind doch stadträumlich getrennt. Der Besucher der Kathedrale, stößt auf der Rückseite des Gebäudes auf eine wenig attraktive Gebäudefront. Will er das Lichtenberghaus betreten, muss er um das Gebäude herum gehen. Die Positionierung des Eingangs im neu zu errichtenden Flügels auf der Rückseite des Doms stellt zwischen Dom und Lichtenberghaus stadträumlich eine neue Beziehungsachse her. Die direkte Interaktion zwischen Dom und dem Lichtenberg-Haus wird möglich.
Datum:
Ort:
Neubau BGF:
Nutzung:
2014
Bebelplatz
10117 Berlin
1.400,00 m²
Kathedrale